Rechtsformen in Österreich – Was vor einer Firmengründung zu beachten ist

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Welche Rechtsform man wählt sollte gründlich überlegt werden. Du hast dir bereits Gedanken über die Tätigkeiten deines Unternehmens gemacht, du weißt was deine Stärken und Schwächen sind, du hast im Optimalfall sogar einen BusinessPlan und weißt wieviel du für deine Leistung verlangen willst und auch musst!

Jetzt stehst du vor der Frage, welche Rechtsform für dich in Frage kommt bzw. am Besten zu deiner Idee passt.

Auf eine Tafel ist eine Person gemalt, welche Stufen steigt (step by step)
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Folgende Fragen sind essentiell, um eine solche Entscheidung zu treffen:

  • Möchtest du das Unternehmen als Einzelperson gründen oder gemeinsam mit einem oder mehreren Partnern?
  • Welche Haftungsformen kommen für dich in Frage?
  • Welche steuerlichen Auswirkungen hat die jeweilige Rechtsform?
  • Welche Auswirkung hat die Rechtsform auf die Krankenversicherung?
  • Welche Kosten kommen auf mich zu bei der jeweiligen Rechtsform?
  • Gründe ich alleine ein Unternehmen oder gemeinsam mit jemand Weiteren?
  • Werden zur Gründung bzw. kurz- bis mittelfristig Mitarbeiter angestellt?
  • Wer soll welche Entscheidungsvielfalt im Unternehmen haben?

Wie du siehst, solltest du dir über einige Gegebenheiten deines künftigen Unternehmens im Klaren sein, bevor du die für dich richtige Wahl deiner Unternehmensrechtsform triffst. Auch ganz hilfreich kann dabei der Rechtsform-Ratgeber der WKO sein – probier ihn einfach mal aus!

In Österreich stehen folgende Rechtsformen zur Auswahl:

  • Einzelunternehmen (EPU wahlweise mit e.U.)
  • offene Gesellschaft (OG)
  • Kommanditgesellschaft (KG)
  • Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (GesbR)
  • Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
  • Aktiengesellschaft (AG)
Tisch auf welchem eine Tasse, ein Block und ein Laptop. Auf dem Laptop befinden sich Sticker mit Wörtern wie teamwork, idea, vison
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Die Rechtsformen detaillierter aufgeschlüsselt:

Einzelunternehmen (EPU wahlweise mit e.U.)

    • Einfach und kostengünstig
    • im Besitz einer einzelnen Person
    • Entscheidungen trifft der Einzelunternehmer allein
    • kein Mindestkapital erforderlich
    • Einzelunternehmen entsteht durch eine Gewerbeanmeldung
    • Voraussetzungen für eine Gewerbeberechtigung müssen von Einzelunternehmer oder einem gewerberechtlichen Geschäftsführer erbracht werden.
    • Unbeschränkte Haftung des Einzelunternehmers mit dem gesamten Betriebs- und Privatvermögen.
    • Kann, muss aber nicht ins Firmenbeuch eingetragen werden (e.U.)
    • Eintragungspflicht ins Firmenbuch ab einen Jahresumsatz von mehr als € 1.000.000 oder mehr als € 700.000 in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren.
    • Einzelunternehmer ist sozialversicherungspflichtig – GSVG
    • Einzelunternehmer ist Umsatzsteuerpflichtig für sämtliche Lieferungen und Leistungen (Ausnahme Kleinunternehmerregelung).
    • Unternehmer muss die gesamten Gewinne selber besteuern
    • Jahresabschluss muss nicht veröffentlicht werden
    • Unter € 700.000,- kann eine einfache Einnahmen-Ausgaben-Rechnung geführt werden

offene Gesellschaft (OG)

    • Gründung erfolgt durch mindestens zwei Personen
    • Unbeschränkte Haftung aller Gesellschafter mit dem gesamten Betriebs- und Privatvermögen
    • Entscheidungen treffen die Gesellschafter gemeinsam
    • Abschluss eines (formfreien) Gesellschaftsvertrages – kann mündlich geschlossen werden, sollte aber in schriftlicher Form festgehalten werden
    • Unter Jahresumsatz von € 1.000.000 oder € 700.000 Umsatz in zwei aufeinanderfolgenden Jahren kann eine einfache Einnahmen-Ausgaben Rechnung geführt werden, ansonsten Pflicht zur doppelten Buchhaltung
    • Nicht Einkommensteuerpflichtig
    • Umsatzsteuer ist von der Gesellschaft zu entrichten
    • Alle Gesellschafter sind sozialversicherungspflichtig – GSVG
    • Voraussetzungen für eine Gewerbeberechtigung müssen zumindest von einem Gesellschafter oder einem hauptberuflichen Mitarbeiter (>20h) erbracht werden
    • Kein Mindestkapital erforderlich
    • Gesellschafter müssen die gesamten Gewinne selber besteuern – EST
    • Jahresabschluss muss nicht veröffentlicht werden
    • Kann von jedem Gesellschafter vertreten werden
    • Erteilung von Prokura (= unternehmensrechtliche Ermächtigung zur Vertretung des Unternehmens) möglich

Kommanditgesellschaft (KG)

    • Gründung erfolgt durch mindestens zwei Personen
    • Unbeschränkte Haftung der einen Gruppe von Gesellschaftern (nämlich der Komplementäre) mit dem gesamten Privatvermögen
    • Beschränkte Haftung der anderen Gruppe von Gesellschaftern (nämlich der Kommanditisten) nur mit ihrer im Gesellschaftsvertrag festgelegten Einlage (egal ob schon ins Unternehmen eingezahlt oder nicht)
    • Entscheidungen treffen die Komplementäre
    • Abschluss eines (formfreien) Gesellschaftsvertrages – kann mündlich geschlossen werden, sollte aber in schriftlicher Form passieren
    • Voraussetzungen für eine Gewerbeberechtigung müssen zumindest von einem Gesellschafter oder einem hauptberuflichen Mitarbeiter (>20h) erbracht werden
    • Kein Mindestkapital erforderlich
    • Komplementäre sind sozialversicherungspflichtig – GSVG
    • Gesellschafter müssen die gesamten Gewinne selber besteuern
    • Jahresabschluss muss nicht veröffentlicht werden
    • Unter € 700.000,- kann eine einfache Einnahmen-Ausgaben-Rechnung geführt werden
    • Muss ins Firmenbuch eingetragen
    • Nur die voll haftenden Komplementäre haben Außenvertretungsbefugnis
    • Erteilung von Prokura (= unternehmensrechtliche Ermächtigung zur Vertretung des Unternehmens) möglich

Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (GesbR)

    • Gründung erfolgt durch zwei oder mehrere Personen
    • Entscheidungen treffen die Gesellschafter
    • Unbeschränkte Haftung aller Gesellschafter mit dem gesamten Betriebs- und Privatvermögen
    • Abschluss eines (formfreien) Gesellschaftsvertrages – kann mündlich geschlossen werden, sollte aber in schriftlicher Form passieren
    • Voraussetzungen für eine Gewerbeberechtigung muss von allen beteiligten Personen erbracht werden
    • Kein Mindestkapital erforderlich
    • Alle Gesellschafter sind sozialversicherungspflichtig – GSVG
    • Gesellschafter müssen die gesamten Gewinne selber besteuern – EST
    • Jahresabschluss muss nicht veröffentlicht werden
    • Rechtsfähigkeit liegt immer bei den Gesellschaftern (Vetragspartner kann nie die GesbR sein)
    • Unternehmen kann nicht geführt werden bei mehr als € 700.000 Jahresumsatz (Ausnahme: Gelegenheitsgesellschaften). GesbR muss also in eine OG oder KG umgewandelt werden und ins Firmenbuch eingetragen werden – kann auch durch einstimmigen Entschluss von den Gesellschaftern erfolgen
    • Kann nicht ins Firmenbuch eingetragen werden – jedoch aber können die Gesellschafter unter einem gemeinsamen Gesellschaftsnamen auftreten
    • Das Gesellschaftsvermögen steht im Miteigentum der Gesellschafter
    • Möglichkeit der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung

Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)

    • Für die Gründung ist nur eine Person notwendig
    • Mindestkapital ist erforderlich (das Mindeststammkapital beträgt nominell €35.000, dabei ist die Hälfte in bar aufzubringen. Aufgrund von Gründungsprivileg nur noch € 10.000 einzuzahlen (mindestens € 5.000; gilt für höchstens 10 Jahre).
    • Es muss ein Geschäftsführer bestellt werden, welcher auch im Firmenbuch eingetragen ist.
    • Beschränkte Haftung der Gesellschafter mit der Stammeinlage (diese scheint im Firmenbuch auf)
    • Abschluss eines Gesellschaftsvertrages mittels Notariatsaktes ist erforderlich
    • Die GmbH ist eine juristische Person, die selbst alle Rechte und Pflichten trägt
    • Gesellschafter haften nur mit dem Anteil des Mindeststammkapitals. Ausnahme: schuldhafte Herbeiführung des Konkurses oder gewerberechtliche Verfehlungen – Gläubiger können ggf. durchgreifen
    • Geschäftsführer sind sozialversicherungspflichtig nach dem GSVG oder ASVG (bei keiner abhängigen Beschäftigung)
    • Gewinne sind durch die Gesellschaft selbst zu versteuern (Körperschaftssteuer in Höhe von 25%); werden Gewinne ausgeschüttet unterliegen diese sodann der Kapitalertragssteuer in Höhe von 27,5%.
    • Jahresabschluss muss im Firmenbuch veröffentlicht werden
    • Pflicht zur doppelten Buchhaltung
    • Die GmbH wird durch Organe vertreten (Geschäftsführer, Generalversammlung und eventuell durch einen Aufsichtsrat)

Aktiengesellschaft (AG)

    • Kann auch durch nur eine Person gegründet werden
    • Abschluss eines Gesellschaftsvertrages (bei der AG Satzung genannt) mittels Notariatsaktes ist erforderlich
    • Beschränkte Haftung der Gesellschafter (Aktionäre) mit ihrer Einlage (diese scheint nicht im Firmenbuch auf)
    • Mindestkapital ist erforderlich (das Grundkapitals beträgt bei der AG mindestens € 70.000, davon ist ein viertel bei der Gründung einzuzahlen.
    • Verpflichtend ins Firmenbuch einzutragen – unabhängig vom erzielten Jahresumsatz
    • Gesellschafter müssen eine Gewerbeberechtigung besitzen
    • Vorstände sind sozialversicherungspflichtig nach dem ASVG
    • Gewinne sind durch die Gesellschaft selbst zu versteuern (Körperschaftssteuer in Höhe von 25%); werden Gewinne ausgeschüttet, unterliegen diese sodann der Kapitalertragssteuer in Höhe von ebenfalls 27,5%
    • Jahresabschluss muss im Firmenbuch veröffentlicht werden
    • Keine Führung einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (unabhängig vom Umsatz) möglich – es muss immer eine doppelte Buchführung geführt werden
    • Die AG wird durch Organe vertreten (Vorstand, Hauptversammlung und durch den stets bei AGs verpflichtenden Aufsichtsrat)

Fazit

Es gibt keine gute oder schlechte Rechtsform in Österreich, nur eine im konkreten Fall (un)passende. Du kannst diese Entscheidung jederzeit ändern. Manchmal ist die Wahl einfach oder sonnenklar – manchmal ist ein längeres Abwägen bzw. ein Führen einer PRO & CONTRA Liste notwendig.

Beachte daher bei der Gründung folgendes

  • Denke mittel- bis langfristig
    • Wie könnte sich dein Unternehmen in den nächsten 5 – 10 Jahren entwickeln?
    • Welche Schritte hast du privat geplant?
    • Wie wahrscheinlich ist es, dass du Mitarbeiter anstellst?
    • Wie risikoreich ist dein Produkt / deine Dienstleistung?
    • Können durch Fehler von dir oder Fehler deiner Mitarbeiter, Schäden entstehen die höher sind als € 1000,- ?
  • Hole dir Feedback von erfahrenen Unternehmern ein
  • Nutze die kostenlose Möglichkeit und lasse dich bei einem Steuerberater zu deiner Entscheidung beraten

Hilfreiche Links / Tools

Wie immer alle Angaben ohne Gewährleistung 🙂

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Patrizia

Gründer und CEO bei webdots GmbH
Patrizia Faschang ist Gründerin und leidenschaftliches Online Marketier bei webdots.at. webdots hat ihren Sitz in Altheim (zwischen Oberösterreich und Salzburg) und ist ein fairer Partner für alle Themen im Bereich Website- & OnlineShop Entwicklung, SEO (Suchmaschinenoptimierung), SEM / AdWords und Online Marketing. Hauptzielgruppe sind Gründer, EPU, KMU und Vereine.

9 Gedanken zu „Rechtsformen in Österreich – Was vor einer Firmengründung zu beachten ist“

  1. … und was ist mit Gesellschaften, die keine persönliche Haftung beinhalten ? zB Ltd, etc
    Warum werden diese Möglichkeiten nie in den Foren behandelt ?
    Gesellschaftsformen ist eine der größten Entscheidungen bei Gründung !

    1. Hallo Jörg,

      ja da stimme ich dir voll und ganz zu – die Entscheidung über die Rechtsform ist essentiell.
      Jedoch ist sie nicht in Stein gemeißelt 😉 Das beste Beispiel bin ich selber – ich bin von der Kleinsunternehmerin zum Einpersonenunternehmen bis hin zu GmbH – hab also schon sehr viel Stationen hinter mir und hoffentlich keine mehr vor mir 😉

      im Artikel behandeln wir alle Rechtsformen in Österreich. Die Ltd. ist eine britische Rechtsform! Wobei man dann genau darauf achten muss welche Rechten und Pflichten genau gelten – mehr dazu findest du zb auch unter: https://www.wko.at/Content.Node/branchen/oe/Handelsagenten/Praxistipps/BRITISCHE_Limited_im_Vergleich_.html

      Dem am nächsten kommt eine GmbH oder AG weil man da nur beschränkt haftet – also mit seiner Einlage. Sollte man jedoch grob fahrlässig handeln, dann kann auch diese beschränkte Haftung aufgehoben werden.

      Ich hoffe dir hiermit weitergeholfen zu haben!

      lg patrizia

  2. Kann eigentlich eine natürliche Person, angenommen er besitzt einen großen KFZ-Betrieb und einen großen Lebensmittelhandel, zwei E.U. im Firmenbuch eintragen lassen? Oder kann eine natürliche Person immer nur ein E.U. eintragen lassen egal wie viele Unternehmen er besitzt?

    1. Hallo Andreas,

      das ist eine sehr gute Frage.
      Aus dem Bauch heraus würd ich jetzt sagen, dass das möglich ist, weil ja jede E.U eine eigene Firmenbuchnummer bekommt und du ja den jeweiligen Unternehmen die jeweiligen Gewerbescheine zuordnen musst. Da ich aber weder rechtsanwalt noch steuerberater bin, werde ich mal nachfragen und dir eine professionelle auskunft zu diesem Thema organisieren. Bitte hab ein wenig Geduld.

      DANKE u LG
      Patrizia

  3. Solch eine ausführliche Übersicht von den möglichen Rechtsformen wäre meinem Sohn sehr hilfreich! Er möchte zusammen mit unserem Onkel was gründen. Im Moment arbeiten die beiden ihren Plan aus. Meinen herzlichen Dank für die sinnvolle Hilfe!

  4. Danke für die Übersicht zu den verschiedenen Geschäftsformen. Ich glaube jede Form hat ihre Daseinsberechtigung. Ich frage mich jedoch, wie so ein Notariatsakt im Detail abläuft, können Sie mir das vielleicht erklären?

  5. Vielen Dank für die ausführliche Erklärung zu den verschiedenen Rechtsformen bei der Unternehmensgründung. Mein Bruder befindet sich im Besitz einer EPU und ich verstehe jetzt, dass das Unternehmen einen Firmenbucheintrag hat, weil es in der Vergangenheit laufend Einnahmen von über € 700.000 pro Jahr hatte. Der Zusammenhang war mit bisher nicht klar. Mein Bruder möchte jetzt aber den Firmenbucheintrag ändern lassen und sucht sich dafür gerade einen Anwalt.

  6. Vielen Dank für den Beitrag und die Auflistung der verfügbaren Rechtsformen! Ich möchte meine eigene Firma offiziell anmelden. Dafür muss ich mir noch einen Fachanwalt für das Gesellschaftsrecht suchen.

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